Nachgestellte Szene: Verteidiger mit Angeklagten
Quelle: Justiz NRW

Die Verteidigung / Die Verteidigerinnen und Verteidiger

Beschuldigte können sich in jedem Verfahrensstadium, also auch schon im Ermittlungsverfahren durch einen Strafverteidiger oder eine Strafverteidigerin beraten lassen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich jedoch vornehmlich auf das Hauptverfahren.

Man unterscheidet Pflicht- und Wahlverteidigerinnen und -verteidiger. Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger werden vom Gericht bestimmt und der oder dem Angeklagten nach Anhörung zur Seite gestellt. Die Wahlverteidigerin oder der Wahlverteidiger hingegen ist eine oder ein von der oder dem Angeklagten selbst bestimmte Anwältin oder Anwalt , den die oder der Angeklagte mit schriftlicher Vollmacht dazu zur Verteidigung im Strafverfahren ermächtigt. Angeklagte sind aber nicht verpflichtet, sich eine Verteidigerin oder einen Verteidiger zu suchen. Vielmehr können sie auch ohne Verteidigerin oder Verteidiger vor Gericht erscheinen, etwa um Kosten zu sparen. In bestimmten Fällen sieht das Gesetz allerdings zwingend vor, dass Angeklagte durch eine zugelassene Verteidigerin oder einen zugelassenen Verteidiger verteidigt wird. Man spricht insoweit von notwendiger Verteidigung. Das Gericht bestimmt in diesen Fällen eine Pflichtverteidigerin oder einen Pflichtverteidiger, sofern die oder der Angeklagte sich noch nicht selbst jemanden gesucht hat. Es handelt sich um Fälle, in denen der oder dem Angeklagten erhebliche Strafvorwürfe gemacht werden oder das Verfahren zu erheblich belastenden Sanktionen führen kann. Die wichtigsten Fälle sind:

  • Der oder dem Beschuldigten wird ein Verbrechen vorgeworfen
  • Das Strafverfahren kann zu einem Berufsverbot führen
  • Die oder der Beschuldigte befindet sich seit mindestens drei Monaten auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt und wird nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen
  • Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der oder des Beschuldigten
  • Wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage es gebietet
  • Wenn ersichtlich ist, dass sich die oder der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann
  • Hat das Gericht der oder dem Angeklagten eine Pflichtverteidigung beigeordnet, ist der oder dem Angeklagten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, selbst eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt zu bestimmen, die oder der die Verteidigung übernehmen soll. In diesem Fall hebt das Gericht die Bestellung der Pflichtverteidigung  wieder auf.
  • Grundsätzlich gilt die Bestellung einer Verteidigerin oder eines Verteidigers für das gesamte Strafverfahren. Sie kann jedoch auch auf nur eine Instanz beschränkt werden. Im Rahmen dieser evtl. zeitlichen Einschränkung hat die Verteidigung folgende Aufgaben:
  • In erster Linie sollen Verteidigerin und Verteidiger Angeklagten beratend zur Seite stehen. Sie sollen die Rechte der Angeklagten umfassend wahrnehmen und diese zu prozessual richtigen beziehungsweise klugen Handlungen und Erklärungen veranlassen. Im Rahmen dieser Stellung ist die Verteidigung verpflichtet, sich ausschließlich für die Angeklagte oder den Angeklagten einzusetzen.
  • Ferner üben Verteidigerinnen und Verteidiger gegenüber dem Gericht eine Kontrollfunktion aus. Sie haben darauf zu achten, dass alle die Angeklagten entlastenden Aspekte hinreichend berücksichtigt und die Verfahrensvorschriften beachtet werden. Verteidigerinnen und Verteidiger sind daher auch als Organ der Rechtspflege zu verstehen. In dieser Funktion dienen sie der Wahrheitsfindung und sie trifft die Pflicht, für einen sachdienlichen und prozessual geordneten Verfahrensablauf zu sorgen. Damit Verteidigerinnen und Verteidiger diesen Aufgaben gerecht werden können, steht ihnen nach Maßgabe des § 147 StPO ein grundsätzlich unbeschränktes Akteneinsichtsrecht zu.
  • Die Verteidigerin oder der Verteidiger ersetzt jedoch nicht die Angeklagten. Auch wenn also eine Verteidigerin oder ein Verteidiger am Verfahren beteiligt ist, muss die oder der Angeklagte selbst in der Verhandlung erscheinen. Verteidigerin und Verteidiger sind nur Beistand der Angeklagten, nicht deren Vertretung.
  • Die Verteidigung ist zu allen Handlungen berechtigt, die dem Schutz und der Verteidigung der Angeklagten dienen. Die Grenzen der Verteidigung sind dann erreicht, wenn sie den Tatbestand der Strafvereitelung erfüllt, das heißt, wenn die Verteidigerin oder der Verteidiger den Sachverhalt aktiv verdunkelt oder verzerrt, Beweismittel verfälscht oder wissentlich gefälschte Beweismittel verwendet. Gleiches gilt, wenn sie oder er Angeklagte vor einer bevorstehenden Verhaftung warnen würde. Nicht gehindert ist die Verteidigung aber, auf Freispruch zu verteidigen und einen solchen zu beantragen, auch wenn die oder der Angeklagte die Tatbegehung in einem vertraulichen Gespräch gestanden hat.
  • Die Rechte der Verteidigerin und des Verteidigers können wie folgt zusammengefasst werden:
  • Recht zur Stellung von Anträgen, insbesondere Beweisanträgen
  • Recht zur Stellung von Fragen an die Angeklagten, Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständige
  • Anwesenheitsrecht in allen Verfahrensstadien, auch bei Ortsterminen außerhalb des Gerichts
  • Recht zur Abgabe von Erklärungen und Stellungnahmen für die Angeklagten
  • Recht zur Beanstandung von Fragen, die von anderen Verfahrensbeteiligten an Zeuginnen und Zeugen oder Angeklagte gerichtet werden
  • Nach dem Schluss der Beweisaufnahme hat die Verteidigung, wenn die Staatsanwaltschaft ihren Schlussvortrag beendet hat, ihr Plädoyer zu halten. Dieses fasst das Ergebnis der Hauptverhandlung nochmals zusammen, würdigt alle erörterten Umstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und kann schließlich einen Antrag an das Gericht enthalten, wie dieses aus der Sicht der Verteidigung entscheiden soll.

Verantwortlich: Der Präsident des Oberlandesgerichts Köln, Stand: 2025